Vereine, die Übungsleiter beschäftigen, stehen stets vor einer Frage: Soll das vertragliche Verhältnis als selbstständige Tätigkeit gestaltet werden oder ist die abhängige Beschäftigung gewünscht? Das LAG Hessen hat für die Zielerreichung jetzt wertvolle Hinweise gegeben. Es hat klargestellt, dass der Mustervertrag, den der DOSB zusammen mit den Spitzenorganisationen der Sozialversicherungsträger
entwickelt hat, in der Tat zu einer selbstständigen Tätigkeit führt (auch im Mannschaftssport). Wir erläutert Ihnen die Folgen für Vertragsgestaltung und -durchführung.
Der Mustervertrag des DOSB
Der Mustervertrag ist vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) gemeinsam mit der
Bundesversicherungsanstalt für Angestellte bzw. der Deutschen Rentenversicherung Bund, den Spitzenverbänden der Sozialversicherungsträger und dem Haufe-Verlag speziell für den Sportbereich entwickelt worden. Er wird – so die offizielle „Vorbemerkung“ – fortlaufend mit Blick auf Änderungen des materiellen Rechts und der Rechtsprechung überprüft. Er ist ausschließlich für die nebenberufliche Tätigkeit in Vereinen/Verbänden konzipiert und erfasst Gesamthonorare bis 770 Euro monatlich.
PRAXISTIPP | Der Zeitumfang einer Tätigkeit hat für die sozialversicherungsrechtliche Bewertung
grundsätzlich keine Bedeutung. Allerdings wird sich bei einem hauptberuflichen Dienstverhältnis
eher eine organisatorische Einbindung in die Organisation des Auftragsgebers ergeben.
Der Hockey-Fall vor dem LSG Hessen
Im Fall vor dem LSG Hessen ging es um den sozialversicherungsrechtlichen Status von zwei
Trainern einer Hockey-Herrenmannschaft.
Vertrag orientierte sich am DOSB-Muster
Der Verein hat sich bei der Vertragsgestaltung am Mustervertrag „Freier-Mitarbeiter-Vertrag als Übungsleiter/Sport“ des DOSB orientiert. Der soll ja – wie es der Name sagt – und zwischen DOSB und den Spitzenorganisationen der Sozialversicherungsträger abgestimmt ist, bei nebenberuflichen Übungsleitern eine selbstständige Tätigkeit implizieren.
So wurde der Vertrag gelebt
Die Trainingseinheiten umfassten an zwei Tagen jeweils ca. zwei Stunden. Dazu kamen zwei bis drei Stunden pro Woche für Wettkämpfe. Die Vorarbeit bzw. Vorbereitung der Trainingseinheiten machten die Trainer im häuslichen Büro. Vorgaben dazu bekamen sie nicht. Darüber hinaus kümmerten sie sich um die Aufbereitung der Videoanalyse. Der Aufwand dafür betrug im Durchschnitt ca. zwei Stunden pro Spiel. Sämtliche Arbeitsmittel hatten die Trainer auf eigene Rechnung angeschafft und als Ausgaben bzw.
Anlagevermögen in ihrer Einnahme-Überschussrechnung unter selbstständiger Tätigkeit verbucht. Dazu gehörten u. a. Laptop, Beamer, Videokamera, Aktivkamera, Taktiktafel, Fernsehapparat und Büromaterialien und -Mobiliar, außerdem Hockeybälle, Hütchen, Pylonen u. Ä. Einzig die Sportstätten wurden vom Auftraggeber (z. B. Kunstrasenplatz) oder der A-Stadt (Sporthalle) zur Verfügung gestellt.
RV Bund plädiert auf Unselbstständigkeit
Im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens kam die Rentenversicherung Bund zu der Ansicht, die Trainer wären unselbstständig tätig. Dagegen klagte der Verein.
Die Entscheidung des LSG Hessen
Das LSG gab dem Verein Recht. Entscheidend war, dass der Vertrag größtenteils so gelebt worden war wie vereinbart. Die tatsächliche Ausgestaltung der Tätigkeit wich von den vertraglichen Vorgaben kaum ab. Die vertraglichen Vorgaben sprachen aber für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit. Das LSG hat den DOSBMustervertrag damit faktisch abgesegnet (LSG Hessen, Urteil vom 28.07.2022, Az. L 8 BA 49/19).
Eine korrekte Vertragsgestaltung allein genügt nicht. Es kommt auf die tatsächlichen Verhältnisse an. Der Vertrag kann zwar zum Ausschluss einer selbstständigen Tätigkeit führen, kann sie aber allein nicht herstellen. Ausgangspunkt der Prüfung ist – so das LSG – zunächst das Vertragsverhältnis. Eine im Widerspruch zu getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht aber der formellen Vereinbarung regelmäßig vor.
PRAXISTIPP | Das wird bei Prüfungen der Rentenversicherung Bund natürlich nur zum Problem,
– wenn Gegebenheiten dokumentiert sind, die von den vertraglichen Vorgaben abweichen,
– die beteiligten Parteien abweichende Angaben machen oder
– die Honorarkraft an einer (nachträglichen) Behandlung der Tätigkeit als Arbeitsverhältnis interessiert ist etwa wegen der sozialen Absicherung.
Worauf es konkret ankommt
Das LSG stellt mit Verweis auf das Muster folgende Punkte heraus, die bei der sozialversicherungsrechtlichen Bewertung eine Rolle spielen:
Keine Weisungsgebundenheit
Es darf keine Weisungsgebundenheit des Trainers im Hinblick auf Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung der Trainertätigkeit bestehen. Allerdings kann der Vorstand mit Rücksicht auf die Vereinsorganisation die Zeiten auch nicht beliebig wählen. Wichtig ist vor allem, dass der Trainer hier keinen laufenden Weisungen unterliegt.
Eingliederung in organisatorische Abläufe
Im Mustervertrag wird die Weisungsfreiheit bzw. das Fehlen eines Direktionsrechts mehrfach ausdrücklich betont. Dabei muss Rücksicht genommen werden auf die üblichen Gegebenheiten des Spiel- und Trainingsbetriebs einer Vereinsmannschaft. Die betreffenden Vertragsklauseln wurden so umgesetzt.
Fachliche Vorgaben des Auftraggebers
Dass der Vertrag vorsieht, dass der Trainer die fachlichen Vorgaben des Auftraggebers so weit zu beachten hat, als dies die ordnungsgemäße Vertragsdurchführung erfordert, spielt nach Auffassung des LSG keine Rolle. Im Kerngehalt bedeute dieser Passus, dass der Trainer die ordnungsgemäße Vertragsdurchführung schuldet und ihm entsprechende Vorgaben gemacht werden können. Insoweit handelt es sich um eine Leerformel, da entsprechende vertragliche Pflichten jedem Dienst-, Werks- und Arbeitsvertrag unterlegt sind.
Höhe der Vergütung
Die Modalitäten und die Höhe der Vergütung (80 Euro pro Stunde) stellen – so das LSG – keine
aussagekräftigen Indizien für den sozialversicherungsrechtlichen Status dar. Bei abhängig beschäftigten Mannschaftstrainern im Spitzensport fehlt es an einer üblichen Vergütungshöhe, die als Maßstab zugrunde gelegt werden könnte.
Unternehmerisches Risiko
Da es sich bei der zu bewertenden Tätigkeit des Trainers um eine reine Dienstleistung handelt, für deren Ausübung kein Einsatz von Risikokapital erforderlich ist, steht das fehlende unternehmerische Risiko der Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit nicht entgegen.
PRAXISTIPP | Regelmäßig genügt hier, dass der Trainer ein Ausfallrisiko hat. Auf keinen Fall darf also eine Vergütung vereinbart werden, die von den tatsächlich geleisteten Stunden unabhängig ist.
Mustervertrag ist übertragbar
Die Regelungen des Mustervertrags lassen sich auch auf andere Honorarverhältnisse – z. B. Lehrkräfte – übertragen. Auch hier darf keine Rolle spielen, dass die Honorarkraft auf Räumlichkeiten und Großtechnik des Vereins bzw. Auftraggebers angewiesen ist. Andernfalls käme eine selbstständige Tätigkeit in diesen Bereich kaum in Frage.