Mitgliederdaten: Wann haben Mitglieder
Anspruch auf eine Liste der Mitglieder-E-Mails?

Vereinsplatz WND

E-Mail-Kommunikation ist in den meisten Vereinen eine Selbstverständlichkeit. Dennoch darf der
Verein die E-Mail-Adressen der Mitglieder nicht ohne Weiteres herausgeben. Wann er das darf oder
sogar muss, hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm geklärt.

Der Fall vor dem OLG Hamm
Im konkreten Fall ging es um einen Verein mit rd. 5.500 Mitgliedern. Die Satzung des Vereins nimmt mehrfach Bezug auf die Möglichkeit, mit den Mitgliedern per E-Mail zu kommunizieren. Eine ausdrückliche Verpflichtung der Mitglieder, eine E-Mail-Adresse mitzuteilen, sieht die Satzung aber nicht vor. Der Verein kommuniziert mit seinen Mitgliedern selbst auch per E-Mail. Das klagende Mitglied wollte in Vorbereitung der MV mit den anderen Mitgliedern in Kontakt treten, um eine Opposition gegen das Vorgehen des Vorstands zu organisieren. Der Vorstand verweigerte die Herausgabe der E-Mail-Listen. Er vertrat die Ansicht, das Mitglied habe auch nach der Rechtsprechung des BGH keinen Anspruch auf
deren Überlassung. Er machte zudem datenschutzrechtliche Bedenken geltend. Mitglieder könnten allenfalls beanspruchen, dass der Verein die Daten einem Treuhänder überlasse. Dieser Auffassung widerspricht das OLG klar. Es hat den Verein dazu verpflichtet, dem Mitglied eine Liste seiner Mitglieder mit Namen, Anschriften und E-Mail-Adressen in elektronisch verwertbarer Form zu übermitteln. Den Rechtsanspruch darauf begründet das Gericht aus dem Mitgliedschaftsverhältnis (OLG Hamm,
Urteil vom 26.04.2023, Az. 8 U 94/22

Wichtig: Offen lässt das OLG, ob sich ein Anspruch auf Herausgabe der Daten auch aus § 810 BGB ergeben kann. Danach hat eine Person ein Einsichtsrecht in Urkunden, wenn darin ein zwischen ihr und einem anderen bestehendes Rechtsverhältnis beurkundet ist und sie ein rechtliches Interesse an der Einsicht hat.

Recht auf Einsicht
Das OLG stellt klar, dass einem Vereinsmitgliedkraft seines Mitgliedschaftsrechts ein Recht auf Einsicht in die Bücher und Urkunden des Vereinszusteht, wenn es ein berechtigtes Interesse darlegenkann, dem kein überwiegendes Geheimhaltungsinteressedes Vereins oder berechtigteBelange der Vereinsmitglieder entgegenstehen.

Wann besteht ein „berechtigtes Interesse“?
Wann das Mitglied ein berechtigtes Interesse hat, kann – so das OLG – nicht abstrakt-generell geklärt werden, sondern muss aufgrund der konkreten Umstände des einzelnen Falls beurteilt werden. In jedem Fall besteht das Recht auf Herausgabe, wenn es darum geht, das erforderliche Stimmenquorum für ein Minderheitenbegehren zur Einberufung einer MV zu erreichen.

Ein berechtigtes Interesse liegt nach Rechtsprechung des BGH außerdem darin, mit der Vielzahl von Mitgliedern, von denen regelmäßig nur
ein kleiner Teil an der MV teilnimmt, in Kontakt zu treten, um eine Opposition gegen die vom Vorstand eingeschlagene Richtung der Vereinsführung zu organisieren (BGH, Beschluss vom 21.06.2010, Az. II ZR 219/09). Dabei müssen sich die auskunftbegehrenden Mitglieder nicht auf die Möglichkeit der Kontakt-aufnahme über eine Vereinszeitschrift oder ein vom Verein eingerichtetes Internetforum verweisen lassen.

Verweis auf andere Kommunikationsform?
Bei der Bewertung, ob ein Interesse berechtigt ist, kommt es nicht nur darauf an, was als Mindestmaß
erforderlich ist, um einen Kontakt herzustellen, so das OLG. Die muss auch bezogen auf die technischen Möglichkeiten und gesellschaftlichen Gepflogenheiten erfolgen. E-Mail hat in vielen Bereichen den Postbrief und das Telefax abgelöst. Daher hat die E-Mail-Adresse heute in vielen Bereichen mindestens denselben Stellenwert wie die postalische Adresse.

Will ein Mitglied eine Opposition gegen die vom Vorstand eingeschlagene Richtung der Vereinsführung zu organisieren, kann der Vorstand es nicht auf andere Kommunikationswege verweisen. Dafür sprechen nach Auffassung des OLG die Vorzüge der unmittelbaren, individualisierten und kostengünstigen Kommunikationsform. Eigeninteressen des Vereins stehen dem nicht entgegen. Das – mögliche – gegenläufige Interesse einzelner Mitglieder an Nichtbelästigung wiegt für sich nicht schwer und überwiegt in einem solchen Fall nicht. E-Mail unterscheidet sich qualitativ auch von der Kommunikation über ein vom Verein zur Verfügung gestelltes internetbasiertes Mitgliederforum (BGH, Beschluss vom
25.10.2010, Az. II ZR 219/09). Das bietet nämlich keine – einer Kontaktaufnahme mit den übrigen
Vereinsmitgliedern – gleichwertige Möglichkeit, ihr Mitgliedschaftsrecht auszuüben.

Was steht der Herausgabe entgegen?
Es muss geprüft werden, ob wesentliche Interessen des Vereins oder der Mitglieder der Herausgabe
der Mitgliederdaten entgegenstehen.

Kostenargument zählt nicht: Das Kostenargument lässt das OLG nicht gelten. Bei einem Verein der Größe des behandelten Falls sei davon auszugehen, dass die Mitgliederliste in professioneller Weise aktuell geführt wird und daher unschwer zur Verfügung steht.


Belästigung der Mitglieder hat kein Gewicht: Auch das Interesse der Mitglieder, nicht durch E-Mails belästigt zu werden, hält das OLG für nachrangig. Das Mitgliedschaftsverhältnis begründet nämlich eine Sonderverbindung, für die die Grundsätze für eine belästigende Werbung (§ 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG) nicht gelten. Im Gegenteil besteht mit dem Vereinsbeitritt die Vermutung, auch zu der damit einhergehenden Kommunikation bereit zu sein. Dass einzelne Mitglieder sich gegen die Weitergabe ihrer EMail-Adressen aussprechen, steht einer Übermittlung der E-Mail-Adressen nicht entgegen. Außerdem haben die Mitglieder die Möglichkeit, sich vor einer wahrgenommenen Belästigung mit einfachen Mitteln zu schützen. Soweit nicht im Einzelfall eine Pflicht zur Angabe besteht, können sie dies schlicht dadurch tun, dass sie dem Beklagten keine E-Mail-Adresse mitteilen. Soweit sie die Vorzüge der E-Mail-Korrespondenz
(nur) im Verhältnis zum Verein nutzen wollen, können sie die Mitteilung der E-Mail-Adresse mit einem Weitergabeverbot verbinden. Und schließlich können Sie für die Zwecke des Vereinsverhältnisses eine besondere E-Mail-Adresse einrichten oder bestimmte Absender als „Spam“ definieren oder blockieren.

Satzungsmäßige Einschränkungen?
Aus der Satzung des Vereins ergaben sich keine Einschränkungen des mitgliedschaftlichen Informations-anspruchs. Es war nicht geregelt, dass die E-Mail-Adressen nicht oder nur an einen Treuhänder heraus-gegeben werden dürften. Es wäre ohnehin fraglich, ob solche Einschränkungen überhaupt zulässig sind. Das mitgliedschaftliche Informationsrecht darf nämlich nicht grundsätzlich eingeschränkt werden. Außerdem war in der Satzung an mehreren Stellen die Kommunikation per E-Mail sogar vorgesehen.

Herausgabe ist mit Datenschutz vereinbar
Auch datenschutzrechtliche Bedenken sah das OLG nicht. Zwar gilt auch hier die Datenschutzgrund-verordnung (DSGVO). Die Mitgliederliste enthält personenbezogene Daten i. S. v. Art. 4 Nr. 1 DSGVO. Zulässig ist nach Art. 6 Abs. 1b DSGVO aber die Verarbeitung „für die Erfüllung eines Vertrags, dessen Vertragspartei die betroffene Person ist“. Vereinsgründung und -beitritt begründen einen solchen Vertrag. Die Pflicht des Vereins, dem Mitglied eine Mitgliederliste mit Namen, Adressen und E-Mail-Adressen
zu übermitteln, ergibt sich – so das OLG – bereits durch eine Interessenabwägung. Andernfalls könnte die Mitglieder ihre Mitgliedschaftsrechte nämlich nicht effektiv ausüben oder sie liefen sogar ins Leere. Auch datenschutzrechtlich muss anerkannt werden, dass das klagende Mitglied die E-Mail-Adressen für eine effektive Ausübung seiner Mitgliedschaftsrechte benötigt. Zudem unterliegt auch das Mitglied, den strengen Auflagen der DSGVO.