Vereine können seit 21.03.2023 hybride und virtuelle Mitgliederversammlungen (MV) einberufen.
Die gesetzliche Neuregelung in § 32 BGB stellt aber hohe Anforderungen an die Umsetzung einer
hybriden Mitgliederversammlung. Zudem macht sie die virtuelle Versammlung von der Zustimmung
der Mitglieder abhängig. Es gibt deswegen nach wie vor Regelungsbedarf in der Satzung. Denn damit
werden nicht nur rechtliche Unsicherheiten der Neuregelung beseitigt, sondern zugleich sichtbare
Regelungen, auf die sich alle Mitglieder einstellen können und deren Einhaltung gewährleistet ist,
geschaffen. Wir machen Sie mit den Details vertraut.
Das neue BGB -Recht und die Satzung
§ 32 BGB – und damit auch die Neuregelung zur virtuellen Mitgliederversammlung – ist eine
nachgiebige Regelung (§ 40 BGB). Sie kann also durch Satzung abgeändert werden. Das bedeutet
insbesondere, dass vor der Gesetzesnovellierung eingeführte Satzungsregelungen zur virtuellen Mitgliederversammlung ihre Gültigkeit behalten und es hier deswegen grundsätzlich keinen Änderungsbedarf gibt. Dennoch sollten Vereine prüfen, ob die gesetzliche Neuregelung ihren organisatorischen Bedürfnissen und technischen Möglichkeiten entsprechen – und die Satzung bei Bedarf anpassen.
Die Besonderheiten der Neuregelung
Die Regelung in § 32 Abs. 2 (neu) BGB verlangt, dass Mitglieder, die an der Mitgliederversammlung nur virtuell teilnehmen, ihre Mitgliederrechte uneingeschränkt wahrnehmen können. Das Rede-, Antrags- und Stimmrecht muss also in gleicher Form gewahrt werden wie in einer Präsenzversammlung.
Hybride MV: Auf Gleichbehandlung achten
Für eine hybride Mitgliederversammlung gilt zudem der Gleichbehandlungsgrundsatz. Die digital
teilnehmenden Mitglieder müssen also die gleichen Möglichkeiten bezüglich des Rede-, Antrags-
und Stimmrechts haben wie die anwesenden. Die Satzung könnte das aber einschränken. Das ist grundsätzlich kein Problem, weil die Mitglieder nach der BGB-Regelung ja die Wahl zwischen
digitaler und Präsenzteilnahme haben.
Mitgliederrechte bei virtueller MV wahren
Anders bei der virtuellen Teilnahme. Hier müssen die Mitgliederrechte sichergestellt sein. Denkbar wäre zwar, dass der Verein im Sonderfall virtuelle Versammlungen mit eingeschränkten Rechten durchführt (z. B. kein Rederecht gewährt). Dann muss es aber in jedem Fall zusätzlich auch Versammlungen geben, die die vollen Teilnahmerechte sicherstellen.
Der Verein muss – insbesondere mit Rücksicht auf die Zahl der Mitglieder – prüfen, ob er diese
Anforderungen technisch und organisatorisch umsetzen kann. Wenn nicht, kann er diese Mitgliederrechte
punktuell einschränken. Aber eben nur punktuell, weil diese Mitgliederrechte nicht grundsätzlich entzogen werden dürfen. Denkbar wären folgende Modelle:
Eine solche Einschränkung der Mitgliederrechte könnte insbesondere darin bestehen, dass die Mitglieder kein Rederecht, sondern nur das Antrags- und Stimmrecht haben. Es werden also Beschlüsse ohne Aussprache gefasst. Die Anträge könnten dabei z. B. vorab schriftlich vorgelegt werden. Faktisch entspräche das – der nach BGB möglichen – schriftlichen Beschlussfassung.
Die virtuelle MV in der Satzung
Eine Grundregelung zur virtuellen Mitgliederversammlung muss die Satzung durch § 32 Abs. 2 BGB jetzt nicht mehr schaffen. Die Gesetzesneuregelung verlangt aber für eine rein virtuelle Mitgliederversammlung einen Beschluss der Mitgliederversammlung. Der ist durch eine entsprechende Satzungsregelung verzichtbar. Da das Quorum für eine Satzungsänderung (nach BGB drei Viertel der anwesenden
Mitglieder) höher ist als für die Einführung der virtuellen Mitgliederversammlung, wird das insbesondere bei Neugründungen sinnvoll sein. Die Entscheidung, ob die Mitgliederversammlung in Präsenzform oder virtuell durchgeführt wird, überträgt die Satzung dann dem Vorstand:
SATZUNGSKLAUSEL /
Vorstand beschließt virtuelle MV
Auf Beschluss des Vorstands kann die Mitgliederversammlung – sofern dem keine zwingenden gesetzlichen Regelungen entgegenstehen – auch als virtuelle Versammlung einberufen werden, an der die Mitglieder ohne Anwesenheit am Versammlungsort im Wege der elektronischen Kommunikation teilnehmen und ihre Mitgliederrechte ausüben können.
Erläuterungen zur Klausel
Gesetzlich zwingend vorgeschrieben ist eine Präsenzversammlung nur bei einer Beschlussfassung nach Umwandlungsrecht, also bei einer Verschmelzung des Vereins oder einem Rechtsformwechsel.
Grundsätzlich kann der Vorstand in vertretungsberechtigter Zahl die Mitgliederversammlung einberufen. Er entscheidet dann auch über die Art der Durchführung. Es wäre dazu kein Beschluss des Vorstands erforderlich. Diese Regelung verhindert also, dass ein einzelnes alleinvertretungsberechtigtes Vorstandsmitglied über die Art entscheidet, in der die Mitgliederversammlung durchgeführt wird. Ohne
Beschluss des Vorstands kann so nur eine Präsenzversammlung einberufen werden.
SATZUNGSKLAUSEL /
Sicherstellung der Mitgliederrechte
Zulässig ist dabei die Nutzung jede Art der Telekommunikation und Datenübertragung, auch in Kombination verschiedener Verfahren, die die Ton- (und Bild-)Übertragung aller Redebeiträge sowohl der in Präsenz als auch die online teilnehmenden Mitglieder von und an diese garantiert. Damit ist gewährleistet, dass das Rede-, Antrags- und Auskunftsrecht auch der Mitglieder, die online teilnehmen, gesichert ist.
Erläuterungen zur Klausel
Die Regelung des § 32 Abs. 2 (neu) BGB verlangt bei der virtuellen Mitgliederversammlung die
Zustimmung einer vorhergehenden Versammlung. Das dient dem Mitgliederschutz.
Die Regelung stellt klar, dass die Mitgliederrechte auch dann voll gewahrt sind, wenn der Vorstand über die Art der Versammlung entscheidet. Hier hat die Rechtsprechung eine entsprechende Vorgabe gemacht (OLG Hamm, Beschluss vom 04.08.2022, Az. 27 W 58/22).
SATZUNGSKLAUSEL /
Einladung und Zugangsdaten
Die Mitglieder erhalten die Zugangsdaten zum virtuellen Versammlungsraum spätestens drei Tage vor Beginn der Versammlung. Die Mitglieder sind verpflichtet, übermittelte Zugangsdaten keinem Dritten zugänglich zu machen und unter Verschluss zu halten. Virtuell teilnehmende Mitglieder müssen sicherstellen, dass unberechtigte Dritte von den Inhalten der Versammlung keine Kenntnis erhalten können.
Erläuterungen zur Klausel
Satz 1 der Regelung stellt klar, dass die Zugangsdaten nicht schon mit der Einladung verschickt werden müssen und die Mitglieder den Erhalt der Zugangsdaten prüfen müssen. Satz 2 dient insbesondere dazu klarzustellen, dass eventuelle Pflichtverletzungen der Mitglieder beim Umgang mit den Zugangsdaten nicht zulasten des Vereins gehen. Über die Sicherung der Zugangsdaten hinaus wird damit klargestellt,
dass ausschließlich Mitglieder die Bild- und Tonübertragung verfolgen dürfen.
PRAXISTIPP | In der Regel empfiehlt es sich, in der Satzung keine konkreten Vorgaben zur technischen
Umsetzung der virtuellen Mitgliederversammlung zu machen, weil dann eine Satzungsänderung erforderlich wäre, wenn neuer Techniken eingeführt werden. Denkbar wäre es, das in einer Geschäftsordnung zu regeln, auf die dann in der Einladung verwiesen wird. Die technischen und organisatorischen Bedingungen für die virtuelle Mietgliederversammlung müssen für die Mitglieder nämlich so genau definiert sein, dass sie alle nötigen Voraussetzungen auf ihrer Seite schaffen können. Eine Geschäftsordnung macht es dann überflüssig, das jeweils in der Einladung zur Mitgliederversammlung zu erläutern.
Keine virtuelle MV für bestimmte Beschlüsse
Regelt die Satzung, dass Mitgliederversammlungen auf elektronischem Weg stattfinden können, gilt das für alle Versammlungen und Beschlussgegenstände. Es kann daher sinnvoll sein, dass die Satzung die virtuelle Mitgliederversammlung in bestimmen Fällen ausschließt:
SATZUNGSKLAUSEL /
Für diese Fälle ist keine virtuelle MV gestattet
In folgenden Fällen ist eine Durchführung der Mitgliederversammlung bzw. eine Beschlussfassung auf elektronischem Weg unzulässig:
- bei der Jahreshauptversammlung
- bei Beschlüssen über die Auflösung des Vereins oder über die Änderung des Satzungszwecks
Virtuelle MV in vereinfachter Form
Nicht immer ist für eine Beschlussfassung eine eigene Mitgliederversammlung erforderlich. Oft geht es nur darum, die Zustimmung der Mitglieder zu eher formalen Fragen einzuholen oder die Zustimmung zu Geschäften, die im Einzelfall über das bisher Übliche (Vereinsherkommen) hinaus gehen.
Das BGB sieht als Alternative zur Beschlussfassung in der Mitgliederversammlung nur die schriftliche Beschlussfassung vor (§ 32 Abs. 3 BGB neu). Weil dafür die Zustimmung aller Mitglieder erforderlich ist, ist dieses Verfahren in den meisten Vereinen nicht praktikabel.
Die Satzung kann dafür eine Sonderform der virtuellen Mitgliederversammlung vorsehen, in der die Beschlussfassung im Vordergrund steht und das Rederecht der Teilnehmer eingeschränkt ist.
SATZUNGSKLAUSEL /
„Virtuelle Beschlussfassungs-MV“
Eine Beschlussfassung der Mitgliederversammlung ist auf Beschluss des Vorstands auch auf elektronischem Weg zulässig. Abweichend von § 32 Abs. 3 BGB ist dafür keine Zustimmung der
Mitglieder erforderlich. Die entsprechenden Beschlussvorlagen werden den Mitgliedern zusammen
mit dem Termin zehn Tage vor der Beschlussfassung per E-Mail übermittelt. Sie können bis zu drei Tage vor Beginn der Abstimmung Änderungsanträge einreichen.
Die Beschlussfassung erfolgt im Rahmen einer Videokonferenz oder auf vergleichbarem Weg. Ein Rede- oder Antragsrecht haben die Mitglieder in diesem Rahmen nicht mehr.
Erläuterungen zur Klausel
Die Ladungsfrist kann von der Frist abweichen, die für eine Präsenz-Mitgliederversammlung gilt. Während der Vorstand die Möglichkeit hat, die Beschlussvorlagen zu erläutern und zu begründen, muss den Mitgliedern kein Rederecht eingeräumt werden. Zur schnelleren Durchführung wird das Antragsrecht nur im Vorfeld der Beschlussfassung ermöglicht und auf eine eventuelle Änderung der Beschlussvorlagen
beschränkt.
Anforderungen an die Technik
Der neue § 32 Abs. 2 BGB lässt die Frage offen, wie virtuelle bzw. hybride Mitgliederversammlungen
technisch umzusetzen sind. Vorgaben ergeben sich deswegen nur aus den allgemeinen vereinsrechtlichen Anforderungen an die Mitbestimmung der Mitglieder:
Die Hardwareanforderungen, die man dabei sicher an jedes Mitglied stellen kann, ist der Besitz eines PC und/oder eines Smartphones sowie eines Internetzugangs mit E-Mail-Adresse. Erforderliche Software muss frei verfügbar sein bzw. vom Verein kostenfrei gestellt werden.
Einberufung per E-Mail?
Eine Regelung zur Einberufung der Mitgliederversammlung auf digitalem Weg (z. B. per EMail) enthält die gesetzliche Neuregelung nicht. Es kann deswegen zu der paradoxen Situation kommen, dass – mangels einer entsprechenden Satzungsregelung – die Mitgliederversammlung virtuell durchgeführt werden kann,
dazu aber per Brief eingeladen werden muss.
E-Mail erfüllt „Schriftliche Einladung“
Grundsätzlich gilt: Regelt die Satzung, dass zur Mitgliederversammlung „schriftlich“ eingeladen wird, ist die Einladung per E-Mail generell zulässig. Schriftform in diesem Sinn meint nämlich die Textform nach § 126b BGB, die auch durch digitale Medien erfüllt ist.
In der Regel kann die Einladung dann per EMail erfolgen, wenn das (etwa wegen des speziellen
Mitgliederkreises) keine „unzumutbare Erschwernis“ darstellt. Fehlt eine ausdrückliche Regelung zur Einladung per E-Mail, kann aber kein Mitglied zur Angabe seiner E-Mail-Adresse verpflichtet werden. Das gilt auch, wenn eine angegebene E-Mail-Adresse ungültig wird. Das Mitglied muss dann wieder brieflich
eingeladen werden.
Satzungsregelung wird trotzdem empfohlen
Die Satzung sollte deswegen eine Regelung zur Einladung per E-Mail enthalten. Sie könnte wie folgt lauten:
SATZUNGSKLAUSEL /
Einladung per E-Mail
„Die Einladung zur Mitgliederversammlung erfolgt per E-Mail mit einer Frist von … Tagen“.
Die Mitglieder müssen dann nicht eigens zur Angabe der E-Mail-Adresse verpflichtet werden, weil sich das von allein versteht. Eine klarstellende Regelung ist aber dennoch sinnvoll:
SATZUNGSKLAUSEL /
E-Mail-Angabe der Mitglieder
„Die Mitglieder sind verpflichtet, dem Vorstand ihre aktuelle E-Mail-Adresse mitzuteilen. Unterlässt das Mitglied das, ist der Verein nicht verpflichtet, es auf anderem Wege einzuladen.“
Wichtig | Natürlich ist auch eine Einladung über andere elektronische Medien zulässig (etwa über Messenger Dienste). Das muss die Satzung dann aber ausdrücklich regeln. Möglich wäre auch eine Ankündigung auf der Website des Vereins. Einladungen, die den Mitgliedern nicht direkt zugehen, sind aber nur für turnusmäßige Mitgliederversammlungen zulässig (deren ungefähren Termin die Mitglieder absehen können).
Bedeutung für die Vereinspraxis
Bisher waren virtuelle Mitgliederversammlungen nur mit entsprechender Satzungsregelung möglich. Das hat die Einführung von § 32 Abs. 2 BGB geändert. Vereine können nun auch ohne entsprechende Satzungsregelungen eine hybride oder rein virtuelle Mitgliederversammlung abhalten. Das bedeutet: Für Vereine, die nicht extra ihre Satzung ändern möchten, erleichtert die Gesetzesänderung zukünftig die Durchführung ihrer Versammlungen.
Neuregelung lässt Zweifelsfragen offen
Dennoch bleiben eine Reihe von Gestaltungsfragen und -optionen offen, die nur per Satzung rechtsicher geklärt werden können. Je nach individueller Situation können unterschiedliche Satzungsregelungen sinnvoll sein. Damit werden nicht nur rechtliche Unsicherheiten der Neuregelungen beseitigt, sondern zugleich sichtbare Regelungen geschaffen, auf die sich alle Mitglieder einstellen können und deren
Einhaltung gewährleistet ist.
Verankerung in Satzung bleibt angeraten
Deswegen empfiehlt sich aus Gründen der Rechtssicherheit die Durchführung einer virtuellen
Mitgliederversammlung auch künftig in der Satzung zu verankern. So kann zum einen sichergestellt werden, dass unabhängig vom Votum der Mitgliederversammlung auf Dauer virtuell getagt werden kann. Zum anderen lässt sich so ausschließen, dass Beschlüsse über die Art der Versammlung angefochten werden können und so eine rechtliche Unsicherheit entsteht.